Funke_C-258_thorstenwulffDiesen Rat gab die Schriftstellerin Cornelia Funke einem kleinen Jungen, der seiner Lieblingsautorin eine Frage stellen durfte. Doch nicht nur er hatte die Chance, Smalltalk mit Cornelia Funke zu führen, viele andere Kinder standen Schlange am Mikrofon.
„Reckless – Das Goldene Garn“ ist der dritte Band der Reckless-Reihe von Cornelia Funke. Am 23. September wurden Fans der Bücher-Reihe eingeladen, ihrer Lieblingsautorin bei einer Lesung aus dem neuesten Buch zu lauschen. In den Kammerspielen im Lübecker Theater, pünktlich am Mittwoch, 23. September, um 19 Uhr kam die Autorin – oder wie sie sich selbst nennt: Geschichtenerzählerin – unter tosendem Beifall auf die Bühne. Mit kleinem Jetlag aber trotzdem gut gelaunt begrüßten sie und der Museumsleiter des Günter-Grass-Hauses, Jörg-Philipp Thomsa, das Publikum. Thomsa forderte von Anfang an alle, vor allem die Kinder, auf, Fragen zu stellen und nicht schüchtern zu sein.
Im Interview, das der Lesung vorangestellt war, erkannte das Publikum schnell, dass Cornelia Funke eine sehr sympathische, ehrliche und humorvolle Persönlichkeit mit viel Phantasie ist. Doch im Gespräch auf der Bühne gab es nicht nur phantasievolle Themen: Cornelia Funke sprach viel über ihr großes Vorbild Günter Grass, den sie kurz vor seinem Tod noch treffen durfte. Sie verbindet all seine Geschichten mit dem Norden, mit dem sie sich sehr identifiziert. Tipps, die Funke von ihrem großen Mentor bekommen hatte, teilte sie natürlich gerne mit ihrem Publikum: Wenn man etwas mit Worten nicht ausdrücken kann, mach’s wie Cornelia Funke: Zeichne es! Funke ist ein sogenanntes Doppeltalent, das Schrift mit Zeichnung verbindet. (Hier ein Hinweis auf die Ausstellung im Günter-Grass-Haus!). Man kennt Cornelia Funke immer als Talent der Worte und hat sofort ihre phantasievollen Geschichten wie „Die wilden Hühner“ oder „Tintenherz“ im Kopf. Doch das Zeichnen ist ebenso ein Teil von Cornelia Funke. Sie zeigte dem Publikum ein Skizzenbuch mit eindrucksvollen „Skizzen“. Sie erklärte den Gedanken „Bild erklärt Wort und anders herum“ genauestens, sodass man beeindruckt davon war, was Funke für ein kreatives Talent ist.
Angesichts dessen, dass so viele Kinder im Publikum saßen und gebannt zuhörten, ging Funke auch auf den Nachwuchs ein. Die Mutter zweier Kinder verbindet Privatleben und Beruf über ihre Kinder: Die ersten Leser ihrer neuen Bücher sind ihre Kinder, oft arbeitet sie sie auch in ihre Bücher ein und plötzlich gibt es Charaktere, die den beiden sehr ähnlich sind.
Doch es gibt auch ein politisches Thema, das Thomsa in dem kleinen Interview anschnitt: Die Flüchtlingswellen in Europa. Die gebürtige Deutsche Cornelia Funke äußerte sich aus kalifornischer Sicht, wo sie seit zehn Jahren lebt: Die US-Amerikaner sehen bewundernd auf Deutschland. Sie finden Deutschland vorbildlich und Cornelia Funke selbst teilt diese Meinung.
In Los Angeles, wo sie lebt, schreibt sie die meisten ihrer Geschichten. Viele Kurzgeschichten sind dort in ihrem „Schreibhaus“ entstanden. Schreibt sie nun auf Englisch oder auf Deutsch? Auf Deutsch natürlich, weil sie viele Phrasen, die sie schreiben will, in der englischen Sprache gar nicht kennt. 40 Jahre lang hat sie in Deutschland gelebt – Deutsch ist ihre Muttersprache.
Zu Geschichten wie „Herr der Diebe“, welche in Venedig spielt, bekam sie die Idee allerdings auch in einem Urlaub in Venedig. Doch Venedig ist nicht eines ihrer nächsten Ziele. Demnächst macht Funke eine ziemlich weite Tour: Erst Hamburg, dann Güstrow, London, zurück nach Los Angeles, in einen Ort beim Yellowstone International Park und wieder zurück nach Deutschland. Anfang nächsten Jahres geht es sogar auf Recherche-Reise nach Indien.
Zurzeit schreibt Cornelia Funke an einer Geschichte für das Günter Grass Haus, womit wir wieder in Lübeck angekommen waren.
Doch nun endlich kam der Teil des Abends, auf den sich das Publikum am meisten gefreut hatte: Cornelia Funke setzte sich, begleitet von der Intro-Musik zu Reckless, an den Pult und erklärte kurz den Inhalt des Romans: Es geht um die Gebrüder Reckless, die die Möglichkeit haben, durch einen Spiegel in eine zweite märchenhafte Welt einzutauchen, die der unseren sehr ähnlich, allerdings mit Feen und Elfen, Hexen und magischen Wesen bestückt ist. In allen Büchern geht es um verschiedenste Märchen, mal deutsche, mal französische. Im dritten Teil sind russische und ukrainische Märchen an der Reihe. Wer also Lust hat, in die Märchenwelt einzutauchen und durch Cornelia Funkes Worte durch den Spiegel zu treten: Reckless ist nur zu empfehlen!
Es folgten also zwanzig Minuten, in denen Cornelia Funke aus „Reckless – Das Goldene Garn“ vorlas und der Saal schwieg. Anschließend lud Funke erneut zur Fragerunde ein, die sich als größer als erwartet entpuppte. Mit Geduld und immer einem humorvollen Kommentar auf den Lippen beantwortete sie die Fragen des Publikums. Vor allem Kinder stellten sich an die Mikrofone und erzählten von Schreibblockaden oder zu vielen Ideen auf einmal und fragten, was man tun könne. Cornelia Funke erklärte hilfreiche Tipps und die Kinder waren stolz auf die Antworten, die sie bekamen. Einige eher schüchtern, einige sehr selbstbewusst, diskutierten sie mit der Autorin.
Der Saal musste ab und zu kicher, sowohl bei den Kindern, als auch bei Funkes Antworten. „Ich glaube nicht, dass sich eine Katze vorstellen kann, ein Hund zu sein. Du kannst das und das ist das Wunderbare an Kindern!“ Für diese Antworten erntete Funke großen Applaus.
Cornelia Funke liebt Kinder und las ihnen zu Liebe noch einen Teil aus „Reckless“ vor, bevor sie den Abend mit folgendem Gedanken schloss: „Geschichtenerzähler wie ich sind Kinder, die einen Weg gefunden haben, so zu tun, als wären sie erwachsen.“ Ein Appell an die Kinder!

Luisa Stachowski